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Geschäftshaus Hausvogteiplatz 3-4 Berlin-Mitte

Geschäftshaus Hausvogteiplatz 3/4 Berlin-Mitte

 

Ehemaliges Warenhaus „Prudentia“

 

 

Veröffentlichung in: Architektur Jahrbuch Berlin 1997.

 

1993/1997

 

Erneuerung, Umbau und Restaurie-rung eines repräsentativen Ge-schäftshauses, ca. 5.000 m² Nutz-fläche, Einbau einer Tiefgarage. 

 

Der Hausvogteiplatz in Berlin-Mitte, unweit des Gendarmenmark-tes, wurde als Platz nach dem Zuschütten des Festungsgrabens und dem Abtragen der Festungs-wälle und der Bastion III, auch Jägerbastion genannt, seit Mitte des 18. Jahrh. angelegt. Die Bastion III gehörte zu den Festungsanlagen, die der Große Kurfürst vom Festungbaumeister Memhardt um Berlin-Cölln nach dem Dreißig-jährigen Krieg hatte errichten lassen. Am Rande des Fried-richswerder gelegen, der ersten und somit ältesten Stadterwei-terung Berlin-Cöllns im Jahre 1662 gegründet, hat sich der Platz und die Umgebung vor allem im 19. Jahrh. in der Nutzungsstruktur wie auch in der städtebaulichen Struktur entwickelt und verändert. Vor allem Gewerbe und Dienst-leistungen mit den entsprechenden baulichen Strukturen prägten fort-an diesen innerstädtischen Be-reich. 

 

Das Gebäude Hausvogteiplatz 3-4 ist eines der wenigen noch erhaltenen Gebäude an diesem historischen Ort. Mit der Errichtung des Geschäftshauses 1892/93 als „Warenhaus Prudentia“ nach den Plänen der Architekten Alterthum & Zadeck (H.A. Krause), wurde mit dem neugeschaffenen Durchbruch der Taubenstraße anstelle einer schmalen Verbindung über den ehemaligen Festungsgraben („Am Bullenwinkel“) der Hausvogteiplatz an einer weiteren Stelle an das regelmäßige Raster der Friedrich-stadt angeschlossen. Der Platz war damit nach fünf Seiten hin geöffnet. Das Geschäftshaus Hausvogtei-platz 3-4 stellt somit ein architektonisches Zeugnis dar für die städtebauliche Veränderung um 1890, als sich dieser Bereich zu einem Zentrum des Konfektions-handels in Berlin und in Deutsch-land entwickelte. Das sogenannte „Konfektionsviertel“ entstand seit dieser Zeit, welches das Aussehen und den Charakter dieser Stadt-gegend nachhaltig veränderte.

 

Im zweiten Weltkrieg wurde der Platz und die umliegende Gegend stark zerstört. Nur noch wenige bauliche Zeugnisse erinnern an die historische Situation. Die einstige Platzrandbebauung ist größtenteils verloren gegangen und die Neu-bauten, die nach dem Kriege er-richtet wurden stehen nicht mehr in der historischen Bauflucht, die den einstigen Festungsverlauf markiert hat. Der repräsentative Baukörper des Geschäftshauses Hausvogtei-platz 3-4 beherrscht allerdings noch den Straßenraum und bildet einen wichtigen städtebaulichen Maßstab, wenngleich das Gebäude nach dem zweiten Weltkrieg vor allem in der Fassade stark verändet wurde. Das Gebäude ist ein für die damalige Zeit moderner Skelettbau mit einem klaren Raster von vertikalen Stützen und horizontalen Brüs-tungen.

 

Im zeitgenössischen Schrifttum zur Architektur Berlins wurde das Bau-werk als ein wichtiges Beispiel eines ausschließlich für Verkaufs- und Lagerzwecke eingerichtetes Geschäftshaus vorgestellt.

 

Nach der Beschädigung im zweiten Weltkrieg wurde die Fassade in einer vereinfachten Form wieder hergestellt, die plastischen Teile und Ornamente aus Sandstein wurden entfernt, die gesamte Fassade wurde verputzt und die Fensterteilung verändert. Das ur-sprünglich ausgebaute Dachge-schoß mit gewölbten Atelier-fenstern wurde zur Straßenfront als Vollgeschoß ausgebaut, die Atelierfenster wurden durch eine massive Aufstockung ersetzt.

 

Erhalten blieb das schmiedeeiser-ne Eingangsportal mit einem Teil der originalen Sandsteinornamen-te, wie auch die reliefierten Wand-fliesen in der Durchfahrt. Im Vor-derhaus zeugen die mit reich ornamentierten und mit Eisen-beschlag verzierten Eingangstüren zu den Etagen und die zum Teil noch vorhandene Malerei von der ehemaligen reichen Innenausstat-tung. Im Quergebäude befindet sich ein Treppenturm mit offener Stahltreppe aus Eisenblech.

 

Die Planung für das unter Denk-malschutz stehende Gebäude be-gann 1993. Es sollte zu einem modernen Geschäfts- und Büro-haus ausgebaut werden, wobei es gleichzeitig natürlich darum ging, die bauliche wie städtebauliche Bedeutung des Gebäudes auch in seiner äußeren Erscheinung wieder sichtbar zu machen, zumal hierin auch ein besonderer Wert für das Gebäude wie auch für den Ort Hausvogteiplatz gesehen wurde.

 

Obwohl die Fassade sehr stark ver-ändert war, so kam doch der Umstand zugute, dass das Haus durch Planunterlagen und vor allem durch Fotos aus der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende sehr gut dokumentiert war. Aufgrund des U-Bahn Baus in dieser Zeit wurden schon damals umfangreiche Beweissicherungsverfahren durch-geführt. Dadurch existierten verhältnismäßig gute Fotos, die den ursprünglichen Zustand des Gebäudes sehr gut wiedergeben.

 

Durch restauratorische Untersu-chungen wurde festgestellt, dass unter dem sichtbaren Verputz die Sandsteinquaderung und die Ver-blendung der Risalite noch erhalten war. Ebenso bestanden im Dach-bereich die formgebenden gewölb-ten Binder fort, so dass ausrei-chend originale Substanz für eine weitgehende Rekonstruktion des Daches und der Fassadenplastik bestand. Die Fassade des Ge-bäudes wurde so rekonstruiert. Vor allem wurde entschieden, den nicht mehr vorhandenen bekrönten Ziergiebel in Angrenzung zum östlichen Nachbargebäude wieder herzustellen. Die ornamentale Bauplastik des Ziergiebels, der Fassade und auch die Wiederher-stellung der Fialen mit Pinien-zapfen über dem Hauptgesims zwischen den Atelierfenstern wur-de in kunsthandwerklicher Stein-metzarbeit wieder hergestellt. Eine Gegenüberstellung in den Abbil-dungen vorher-nachher macht dies deutlich. Auch die Fenster in den Obergeschossen wurden original in Holz rekonstruiert, die Fenster des Erdgeschosses dagegen aus Aluminium, mit moderner Teilung entsprechend der künftigen Nut-zung. Das noch erhaltene Ein-gangsportal wurde restauriert, die ornamentalen Sandsteinfassungen ergänzt. Die erhaltenen Ziegel-verblendungen wurden restauriert und dort, wo es wegen des schlech-ten Zustandes nicht möglich war, neu ergänzt.

 

Es wurde entschieden, das nach-träglich aufgebaute Vollgeschoß zurückzubauen und das konvex gewölbte Dachgeschoß wieder her-zustellen. Weiter wurde der Wirtschaftlichkeit wegen das darü-ber liegende konkav gewölbte Dach in den Dachausbau durch die Schaffung einer weiteren Ebene mit einbezogen. Die prägnante konkav-konvex gewölbte Dachform konnte so wieder hergestellt werden. Der Ausbau selbst, vor allem die gewölbten Dachfenster mit öffenbaren Schiebeflügeln, wurden dagegen modern in einer Stahlkonstruktion gestaltet und hergestellt. Sie bilden eine sicht-bare Akzentuierung zwischen Alt und Neu.

 

Im Innern wurde das Gebäude ent-sprechend der künftigen Nutzung als Bürohaus neu ausgebaut und mit moderner Ausstattung und Infrastruktur, wie z.B. den Einbau eines Aufzuges in das offene Treppenhaus ergänzt. Die Wand-fliesen in der Durchfahrt wurden ebenso restauriert wie auch die eisenbeschlagenen Eingangstüren zu den Etagen. In die vorhandene Unterkellerung des Gebäudes einschließlich des Hofes, der durch Kriegszerstörung verschüttet war, wurde eine Tiefgarage eingebaut, die über einen Autolift von der Taubenstraße erschlossen wird. Alle baulichen Maßnahmen wurden in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege durchgeführt.