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Schifferkirche Ahrenshoop (Mecklenburg)

Schifferkirche Ahrenshoop (Mecklenburg)

 

2005/2006/2012

 

Instandsetzung und Erweiterung der Kirche/Ergänzung Glockenturm

Entwurf:

Prof. Dr. Hardt-Waltherr Hämer

Realisierung: Autzen & Reimers

 

Die Ahrenshooper Schifferkirche gehört zur ev. Kirchengemeinde Prerow. Die Gemeinde ist dem Kirchenkreis Stralsund angehörig, einem von 4 Kirchenkreisen der Pommerschen Evangelischen Kir-che. Zur Kirchengemeinde Prerow gehören neben der Schifferkirche, die Seemannskirche in Prerow aus den Jahren 1726 bis 1728 und die Fischerkirche in Born aus dem Jahre 1934/35. Es finden regel-mäßig Gottesdienste in allen Kirchen statt mit regem Zuspruch. Die Ahrenshooper Kirche ist zwar die Jüngste der Gemeindekirchen, aber sehr beliebt. Infolge ihres offenen Charakters und ihrer gelungenen Proportionen zieht sie jährlich Tausende Besucher an. Sie hat Bedeutung für den Ort und die Region. In der Saison finden zwei-mal in der die Woche Konzerte und andere Veranstaltungen statt. In-folge des desolaten baulichen Zu-standes der Kirche hat sich zum 50. Jahrestag der Weihe 2001 ein Förderverein aus Gemeindemit-gliedern und Ortsansässigen ge-gründet. Der Förderverein Schiffer-kirche Ahrenshoop e.V. verfolgt den Zweck die bauliche Erhaltung, seine Erneuerung und sein Umfeld zu fördern.

 

Der von Hardt-Waltherr Hämer 1950 entworfene Kirchenbau wur-de am 14.10.1951 geweiht. Der Bau wurde möglich weil trotz unsäglich knapper materieller Ressourcen Gemeinde und Architekt mit hohem persönlichen Engagement gegen Widerstände in Verwaltung und Politik zusammen für seine Umsetzung eintraten. Es blieb einer der wenigen Kirchenneubauten in der DDR.

 

In Konzeption und Konstruktion folgt sie der Moderne: „nichts Überflüssiges, kein aufgesetztes Dekor, ein Zweckbau von bezwin-gender konstruktiver Logik, mit einem anrührenden Charme und einer lichten Raumstimmung ...“(Manfred Sack).

 

Die reetgedeckte Kirche besteht aus sechs Dreigelenkbindern aus Holz, die mit ihren Spitzbögen einen erhabenen Eindruck machen und mit deren Hilfe es dem Architekten gelang, trotz des reduzierten Ausmaßes des Hauses einen würdevollen Kirchenraum zu schaffen. Die Bildhauerin Doris Oberländer-Seeberg hat die Innen-einrichtung aus einer am Bauplatz gefällten Pappel geschaffen. Einen Taufständer, eine Kanzel mit Wor-ten und Symbolen der 4 Evan-gelisten sowie die Altarrückwand mit einem Spruch aus dem Johan-nes-Evangelium. Der Andachts-raum erhielt 1961 eine Schuke Orgel.

 

2001 feierte man das 50jährige Be-stehen der Kirche. Der innen und außen Holz verkleidete Bau ließ Instandsetzungserfordernisse er-kennen. Zugleich wurden Defizite im geänderten Gebrauch der Kir-che offenbar. 2005 und 2006 er-folgte in zwei Bauabschnitten die Erweiterung der Kirche um ein Joch, die Errichtung eines freistehenden Glockenturmes sowie eine Grundinstandsetzung.

 

War der Ausgangspunkt der Über-legungen die erforderlichen Maß-nahmen zur Überwindung des sichtbaren Instandsetzungsdefizits, so führten die breit angelegten Dis-kussionen in der Gemeinde schnell zur Nutzungsfrage. Klar war die Sicherung der Gottesdienste. Da-neben waren jedoch auch Nut-zungen aus der touristisch bedeut-samen Lage der Gemeinde zu berücksichtigen. Gewachsen waren die Mehrfachnutzungen der Kirche durch Konzerte und Veranstal-tungen verschiedenster Art. Für die anstehenden Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten rückte deshalb die behutsame Bewälti-gung dieser Mehrfachnutzung in den Vordergrund. Ein glücklicher Umstand verhieß der Kirchen-gemeinde Prerow den gleichen Architekten mit der Sanierung beauftragen zu können, der diese Kirche bereits 1951 schuf: Prof. Dr. Hardt-Waltherr Hämer.

 

Sein Konzept ist wie folgt zu umschreiben:

 

Sanierung der Dreigelenkbinder einschl. Widerlager; Sanierung der Außenhaut aus Holzverschalung und Glas, Erweiterung der Kirche um ein Joch, Errichtung eines separaten Glockenturmes, Moder-nisierung der haustechnischen Anlagen wie Elektroinstallation und Heizung, etc., Erneuerung der Außenanlagen mit Behinderten ge-rechten Zugang zur Kirche.

 

Die Schifferkirche bestand bis dato aus einem Raum. Das behinderte nicht nur die Vorbereitungen für den Gottesdienst, insbesondere bei schlechten Witterungslagen, son-dern auch Konzert – und Lesungs-vorbereitungen. Auch der Zugang nur durch eine Tür führte zu ungewollten Improvisationen. Die unzureichende Erwärmung des Kirchenraumes in der kalten Jahreszeit, wie auch die starke Erwärmung in den Sommermona-ten behinderte die Nutzung er-heblich.

 

 

Zur Wahrung der speziellen Pro-portionen dieses Gebäudes und der Lichteigenschaften des An-dachtsraumes sowie zur Erhaltung seines unverwechselbaren Charak-ters wurden „beulenartige Anbau-ten„ frühzeitig verworfen. Die Lö-sung bestand in der von Prof. Hämer vorgeschlagenen Erweite-rung der Kirche um ein Joch in gleichen Konturen, jedoch getrennt durch ein umlaufendes Lichtband vom Bestand. Das Lichtband betont nicht nur die zeitgenössische Erweiterung der Baulichkeit und deren Abgrenzung gegenüber dem „Original“, sondern gewährleistet die Erhaltung des seitlichen indi-rekten Lichteinfalles auf die Altar-wand, die eine der Besonderheiten des Kirchenraumes darstellt. Der gesonderte Zugang von Osten in den Sakristeianbau und von diesem in den Andachtsraum stellt eine Voraussetzung zur grundlegenden Funktionalität sowohl für den Gottesdienst, als auch für diverse Veranstaltungen und Konzerte dar. Durch die Aufnahme folgender Funktionen der Sakristei wird die multifunktionale Benutzbarkeit des Kirchenraumes ermöglicht: 

Aufenthalt und Garderobe für Geistliche, Musiker und Vortragen-de, Bergeraum für Gerätschaften, Instrumente; Steuerungseinrichtungen für Geläut, Heizung, Lüftung; Beleuchtung und Verschattung, Standort der Orgel.

 

Im Kirchenschiff selbst wurde die Mehrfachnutzung durch ein zusätz-liches Möbel unterstützt. Durch zwei „Boxen“ als flexible Container zur Aufnahme von Informations-schriften, Veranstaltungshinweise, Gottesdienstzeiten und Gesangs-bücher. Aufgeklappt sind sie als Pult zum Verkauf von Eintritts-karten zu nutzen. Beide Boxen sind fahrbar, damit sie je nach Funk-tionserfordernis an den richtigen Ort verbracht werden können. Neben der Instandsetzung und der Nutzungserweiterung war der denkmalgerechte Rückbau von verunstaltenden baulichen Elemen-ten, die nach Errichtung der Kirche ergänzt wurden, ein Ziel der restauratorischen Maßnahmen. Der Ostgiebel wurde durch ein Glockendach mit Glocke entstellt, die Außenhaut wurde tiefschwarz eingefärbt, der offene Westgiebel wurde durch einen Orgeleinbau verstellt.

 

In Abstimmung mit den Denkmal-schutzbehörden wurde ein frei-stehender Glockenturm für drei Glocken von Prof. Hämer entwor-fen. Dadurch konnte der Ostgiebel in seiner ursprünglichen würdevol-len Form die Kirche zum benach-barten Friedhof begrenzen. Mit dem Glockenturm ist zugleich ein neues Wahrzeichen für Ahrens-hoop entstanden. In einem dritten Bauabschnitt wurde eine speziell für den Ahrenshooper Kirchen-raum entwickelte Orgel (Orgel-bauer Wegscheider ) eingerichtet.