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Rathaus der Stadt Malchow (Mecklenburg)
Rathaus der Stadt Malchow (Mecklenburg)2002/2008
Belobigung beim Landesbaupreis 2010 des Landes Mecklenburg Vorpommern
Veröffentlichungen in: Heinrich Stiewe, Fachwerkhäuser in Deutschland, Darmstadt 2007, S. 112; sowie Olaf Bartels, Das alte Rathaus in Malchow, in: Deutsches Architektenblatt, Heft 5/2008, S. 24;. Landesamt für Kultur und Denkmalpflege: Denkmal des Monats Juli (2008). Das ehemalige Amtsgericht von Malchow. Außen und innen ein repräsentativer Verwaltungsbau, in: www.kulturwerte-mv.de); Olaf Bartels, Architekturführer Mecklenburg-Vorpommern, hrsg.v. Architektenkammer M-V, Berlin 2011, S. 252
Nach Abschluss des ersten Bauab-schnittes gab es in der Stadt Malchow und in der Folge auch im Lande Mecklenburg-Vorpommern eine heftige Diskussion zum Thema „Denkmalpflege und Demokratie“ bzw. zum Umgang mit Befunden bei historischer Bausubstanz. We-niger der moderne Glasgang, wie zunächst vermutet, der jetzt beide Gebäude miteinander verbindet war Gegenstand der Diskussionen als vielmehr der Umgang mit dem alten Fachwerkgebäude, dem alten Rathaus, dessen bauzeitliche Fas-sung (monochromes Zweckfach-werk) wieder hergestellt wurde.
Insbesondere unter den Malchower Bürgern, die „ihr“ Rathaus nur als traditionelles fachwerksichtiges Gebäude kannten, gab es heftige und massive Diskussionen. Den Vorstellungen der Bürger („es ist unser Rathaus und wir entscheiden, wie es aussieht“) standen die fach-lich begründeten Argumente und Entscheidungen der Architekten, Bauhistoriker und der Denkmal-pflege gegenüber.
Das Rathaus Malchow ist der zen-trale Repräsentationsbau innerhalb des historischen Stadtkerns auf der Insel. Es wurde - nach Entwürfen von 1818 – um 1825 als zweige-schossiger Fachwerkbau unter hoh-em Mansarddach errichtet. Das Gebäude wurde mit einem einfach-en „Zweckfachwerk“ gebaut und erhielt einen monochromen An-strich, so dass sich die Holzbau-teile nur durch eine andere Ober-flächenstruktur von den gemauer-ten Gefachen unterschieden. Die monochrome Fassung von unver-putzten Fachwerkbauten war vor allem um 1800 und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland stark verbreitet. Die einheitliche Farbgebung der Konstruktionshölzer und Gefache verfolgte das Ziel, den Baustoff Holz optisch zu negieren und die Erscheinung eines Massivbaus (als klassizistischer Putzbau oder aus Sandstein) zu imitieren. Hundert Jahre nach seiner Erbauung erhielt das Rathaus von Malchow eine grundsätzlich neue Außengestal-tung, indem die Konstruktionshöl-zer der Fachwerkfassaden mittels eines braunen Anstriches von den geweißten Backsteingefachen ab-gesetzt wurden. Diese Farbigkeit ist im Bewusstsein der Bevölkerung fest verankert.
Das Rathaus wurde in den Jahren 2004-2005 umfassend saniert und instandgesetzt. Wegen des schlechten Baugrundes auf der Insel musste das Gebäude durch Hochdruckinjektionen (HDI) nach-gegründet werden. Außerdem wurde das Gebäude aus energeti-schen und aus denkmalpflegeri-schen Gründen mit einer Lehm-innendämmung versehen. Um die bauphysikalischen Nachteile (Tau-punkt) einer Innendämmung auszu-gleichen, wurde das Gebäude zudem mit einer Wandheizung ausgestattet. Durch die „Tempe-rierung des Bauteils Fachwerk“ wird nicht nur der Wärmedämm-wert erhöht, sondern darüber hinaus auch einer Schädigung des Fachwerks bei Durchfeuchtung (Schlagregen und Tauwasser) entgegengewirkt. Dies wiederum hat zur Folge, das dadurch nachhaltig die Lebensdauer des Fachwerks erhöht wird. Während der klassizistische Baukörper in seiner äußeren Gestalt bis in die frühen 1920er Jahre nahezu unver-ändert erhalten blieb, erfolgte im Inneren eine zeittypische Überfor-mung der älteren Ausstattung. Folglich basierte das Konzept für die Sanierung im Jahre 2004-2005 nach umfangreichen Untersu-chungen auf den Befunden zur Fassung der frühen 1920er Jahre.
In einem zweiten Bauabschnitt ist das nebenan gelegene ehemalige Amtsgericht, ein zweigeschossiger Backsteinbau aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. saniert und in die Nutzung als Verwaltungssitz der Stadt Malchow einbezogen worden.
Seine nach Westen orientierte Hauptfassade wird durch einen Mittelrisalit mit pilastergerahmtem Eingang und Segmentbogengiebel betont; im Giebelfeld befindet sich das von Stier und Greif gehaltene Landeswappen. Die zum Markt-platz gerichtete fensterlose Süd-fassade prägt eine Rundbogen-nische im Obergeschoss, in welche eine Figur der Justitia aufgestellt ist. Neben diesen kennzeichnenden Elementen veranschaulicht auch der reiche Terrakotta- und Sand-steindekor den Repräsentations-anspruch.
Die monomentale Wirkung des Ge-bäudes wird durch die Verein-heitlichung seiner Backstein-fassaden unterstrichen, die durch die roten Mauerwerksfugen und einen abschließenden roten Lasur-anstrich erzielt wurde. Aufgrund der umfangreichen Befundlage zur ursprünglichen Gestalt des Außen-baus konnten Dach und Fassade des ehemaligen Amtsgerichts dem ursprünglichen Gestaltungskonzept entsprechend saniert werden. Hier sind vor allem die Wiederher-stellung und die Rekonstruktion der bauzeitlichen Fensterflügel in den aufgearbeiteten Fensterzargen, die Rekonstruktion des weit vorkragen-den Traufgesimses und die Wieder-gewinnung der Schieferdeckung zu nennen.
Doch nicht nur das Äußere zeigte einen guten Überlieferungszu-stand, sondern auch im Innern des Gebäudes war die restauratori-sche Befundsituation so gut, das vor allem das Treppenhaus aber auch die hölzernen Einbauten wie Türen, Treppen und Fußböden wieder im ursprünglichen Zustand hergestellt werden konnten. Von besonderer Bedeutung waren auch Reste von bauzeitlichen Tapeten, die vereinzelt wieder nachgefertigt wurden, so für den ehemaligen repräsentativen Gerichtsraum, der heute als Standesamt genutzt wird.
Eine besondere Aufgabe bestand darin, beide denkmalgeschützten Gebäude im 1. Obergeschoss mit einem Verbindungsgang zu ver-binden. Dieser Gang sollte durch die Anbindung eines Aufzuges zugleich auch beide Gebäude barrierefrei erschließen. Der Ver-bindungsgang und der Aufzugs-schacht wurden als Stahlkonstruk-tion mit punktbefestigter außen liegender Verglasung errichtet. Während sich die Einbindung des Ganges in das alte Rathaus kon-struktiv und gestalterisch unpro-blematisch darstellte, so war die Einbindung in das ehemalige Amts-gericht genau in der Ecke des Gebäude zwar die einzig mögliche gestalterische Lösung, um das Bestandgebäude so gering wie möglich zu beinträchtigen, es er-forderte aber gleichzeitig hohe Anforderungen an die konstruktive Umsetzung. Die beiden histori-schen Gebäude, die in ihrer äußer-en Erscheinung zwar unterschied-lich aber als Baukörper mono-lithisch erscheinen sollten, (mono-chromes Fachwerkgebäude und roter Bachsteinbau mit roter Verfugung) wurden durch einen ebenfalls monolithischen Verbin-dungsgang als modernes Bauteil zeitgenössisch aus Glas als moder-nem Baustoff mit innenliegender Stahlkonstruktion ergänzt. Der zweite Bauabschnitt wurde im Mai 2008 fertiggestellt.
Bauforschung: Holger Reimers, Hohenfelde Restaurator: Detlef Krohn, Carpin
Fotos Jörn Lehmann |